Corona hat den Selbstbaumarkt ordentlich durcheinandergewürfelt. Einige Chassis sind auf längere Zeit nicht lieferbar oder wurden gar ganz aus dem Programm genommen. Als neulich die Frage nach
einer bezahlbaren, pegelfesten Kompaktbox aufkam, waren meine Gedanken schnell bei der LOUD von Quint-Audio und der Kid Rock von Alex aka donhighend. Doch beide Lautsprecher sind, zumindest
derzeit, nicht mehr nachbaubar. Also dachte ich mir, ich schaue mich mal um, was es für Kandidaten für eine solche Box gibt.
Durch meine positiven Erfahrungen mit der relativ jungen Marke LaVoce, war dies eine meiner ersten Anlaufadressen. Schnell sprang mir hier der LaVoce WSF081.82 ins Auge. Ein 8" PA-Tiefmitteltöner mit sehr praxisgerechten Parametern und einfacher, aber robuster Bauweise. Der
Preis von unter 50€ war mir ebenso sympathisch wie die Bestandsanzeige beim deutschen LaVoce Vertrieb Steinigke. In Frankreich bekommt man das Chassis sogar für unter 40€, womit das
P/L-Verhältnis als hervorragend bezeichnet werden darf - allerdings ist es zum Zeitpunkt des Berichtes dort nicht kurzfristig lieferbar.
Da es immer praktisch ist, wenn man nicht in vielen verschiedenen Shops kaufen muss, habe ich mich auch gleich nach einem passenden Hochtöner bei den Italienern umgesehen. Da der TMT eine relativ
hohe Trennfrequenz zulässt, muss es im Hochton gar kein großer Druckkammertreiber sein, denn dessen Vorteile würden ohnehin weggefiltert werden.
Mit dem HD 1004 hat LaVoce auch ein passendes Horn im Angebot, welches trotz des günstigen Preises von gut 20€ (bzw. weniger als 20€ bei
TLHP) aus Aluminium-Druckguss besteht und damit sehr stabil ausfällt.
Daran anschließen darf sich der DF10.101LM, welcher hierzulande für rund 30€ und bei den französischen Nachbarn für etwas mehr
als 20€ angeboten wird. Somit liegt die Hornhochton-Kombi im gleichen Preisrahmen wie der Tiefmitteltöner.
Noch ein kurzer Hinweis: Ich habe meine Chassis erst bei quinte-online (nicht zu verwechseln mit Quint-Audio bzw. dem quint-store.com) bestellt, weil sie dort ähnlich günstig wie bei TLHP
angeboten werden und ich prinzipiell eigentlich lieber im Inland kaufe. Leider wurde die Ware nie geliefert und ich habe erst nach mehr als 2 Monaten mein Geld wieder zurückbekommen. Ich rate
daher dazu, ein paar Euro mehr auszugeben und bei einem vertrauenswürdigeren Shop zu bestellen.
Als die Chassis dann endlich bei mir ankamen, wurden sie natürlich sofort inspiziert. Wie ich das mittlerweile schon gewohnt bin, gibt es an der Verarbeitungsqualität nichts auszusetzen. Schon
gar nicht, wenn man auch noch die günstigen Preise berücksichtigt.
Lavoce WSF081.81
Lavoce HD1004
Gespannt war ich darauf, wie sich die TMT messen würden und da das Thema Einspielen auch nach meinem Artikel dazu noch immer heiß diskutiert wird, habe ich auch dieses mal die Chassis erst out of the Box, danach mit mittels Walken gedehnter Aufhängung und anschließend nach kurzer Ruhephase gemessen:
Lavoce WSF081.82 TSP Vergleich out of the Box vs. nach diversen Behandlungen
Wie man auch hier sehen kann, verändern sich die TSP durch das Walken, welches stundenlangem Einspielen gleich kommt und innerhalb von Sekunden erledigt ist, doch recht deutlich. Allerdings sind sie nach nur 3 Minuten Ruhepause schon wieder näher an den ersten Messungen frisch aus dem Karton. Welche Parameter nun zur Simulation verwendet werden, spielt aber in der Praxis keine Rolle, da sich trotz geänderter Werte kaum Unterschiede ergeben.
Der TMT kann recht flexibel eingesetzt werden. Für maximale Bassausbeute benötigt er rund 25 Liter. Dies führt allerdings zu einer ganz leichten Senke im oberen Bass und unteren Grundton. Da
später ein Subwoofer für die Azrael folgen wird, wollte ich hier eher etwas mehr Pegel haben und dafür auf ein paar Hz Tiefgang verzichten. 16 Liter würden eigentlich genügen, die Chassis nehmen
auf der Front allerdings so viel Platz ein, dass die Box dann deutlich flacher als breit bauen würde, was ich optisch nicht so toll finde. Daher wurden es 20 Liter, in denen der TMT bis 80Hz
vollen Pegel liefert und so auch eine niedrige Trennung zum Sub zulässt.
Lavoce WSF081.82 Simu 16/20/25 Liter BR
Somit konnte es dann auch gleich an den Bau gehen. Die Preise für MDF sind mittlerweile extrem, aber ich fand im Hagebaumarkt eine MDF-Platte mit den Maßen 139x103cm für rund 30€, die genau für die beiden Azrael gereicht hat. Beim Zuschnitt hätte ich rund 50% mehr zahlen müssen.
Wie man ein Gehäuse aufbaut, wissen wohl die meisten. Wer nicht, der findet in den Videoportalen schöne Anleitungen, daher hier nur ein Bild vom Bau, der den grundsätzlichen Aufbau zeigt:
Azrael Gehäuse noch unverleimt
Ich habe den BR-Port als Kanal auf der Rückseite ausgeführt. Wer die Box sehr nahe an der Wand betreiben möchte, der kann den Kanal oder ein entsprechendes Rohr auch in eine der Seiten, Boden
oder Deckel bauen. Einzig einen Einbau auf der Front kann ich nicht wirklich empfehlen, da sich das klanglich negativ auf den Klang auswirkt (Stichwort Portresonanzen und Mitteltonmüll).
Nach dem Zusammenleimen ging es auch schon an die Messungen.
Azrael Messung Chassis unbeschaltet
Der Hochtöner läuft unbeschaltet sehr schön, nur eine kleine Senke bei 6,5kHz und ein kräftiger Peak im Superhochton deutlich über 10kHz trüben das Bild etwas. Die 6,5kHz Senke kommt zum Teil von dem bei meiner Box nicht eingefrästen Horn und den um 4mm überstehenden Seitenwänden. Das ergibt eine kleine Lücke auf der Schallwand, die ich später noch mit Zellkautschuk auffüllen werde und mir so das Versenken der Chassis spare. Die Überhöhung im Superhochton liegt so hoch, dass sie klanglich kaum auffallen dürfte. Aber das muss der Hörtest erst einmal zeigen.
Der TMT verhält sich rund um 1kHz leider nicht ganz so gutmütig, wie es im Datenblatt auf den ersten Blick aussieht. Schaut man sich die Herstellermessungen allerdings genauer an, erkennt man
auch hier schon einen leicht welligen Verlauf, der durch den Bafflestep in der fertigen Box noch deutlicher zu sehen ist. Mit etwas Feintuning sollte das aber ohne große Probleme in den Griff zu
bekommen sein.
Ein erster Versuch funktionierte durchaus gut, allerdings war die Weiche dafür sehr aufwändig. Dazu kam noch, dass der Hochton bei linearer Abstimmung (blau) mit zunehmendem Pegel leicht
aufdringlich wurde. Bei einer Box, die auch mal richtig Party machen soll ein No-Go. Mit zurückgenommenem Hochton (rot) war dieses Problem zwar erledigt, allerdings klang der Lautsprecher dann
bei gemäßigter Lautstärke etwas bedeckt:
Azrael erste Abstimmungen HT +/- 2dB
Solche Kompromisse wollte ich nicht eingehen. Schon gar nicht, wenn dafür verhältnismäßig viele Bauteile nötig sind. Also ging es noch einmal von Vorne los, eine ganz andere Weichentopologie wurde gewählt, die ich so ohne den Vorschlag von Alex wohl nie versucht hätte. Auch hier benötigt der TMT wie erwartet etwas mehr Aufwand, dafür läuft der Hochtöner mit einem sehr einfachen Filter:
Azrael Summe + Einzelzweige in finaler Abstimmung
Natürlich ist das nicht der linearste Lautsprecher der Welt, eine Schwankungsbreite von +-2dB darf jedoch als durchaus gut bezeichnet werden.
Auch das horizontale Abstrahlverhalten kann überzeugen:
Azrael Messung 0° - 60°
Die Winkelfrequenzgänge liegen zu keiner Zeit übereinander, so soll es sein. Man erkennt auch, dass der Superhochton mit zunehmendem Winkel sehr rasch an Pegel verliert, daher würde eine
komplette Eliminierung des Anstiegs auf Achse wohl zu einem Mangel an Auflösung ganz oben im Frequenzspektrum führen.
Im Hörtest fiel der betonte Superhochton dann auch absolut nicht (negativ) auf. Der Hochtöner machte seine Sache ausgezeichnet und löst für einen Druckkammertreiber sehr gut auf. Auch der TMT gab
keinen Anlass zur Kritik, so lange man ihm nicht krumm nimmt, dass er richtig tiefen Bass nicht darstellen kann. Es ist jedoch erstaunlich, wie wenig Bass man bei vielen Musikstücken vermisst. In
Wandnähe braucht es einen zusätzlichen Sub nicht zwingend.
Da man bei den eigenen Entwicklungen nie so ganz objektiv sein kann, war ich froh über den Besuch meines Freundes Gazza samt charmanter Begleitung, bei dem beide auch ein Ohr an meine Entwicklung
halten konnten. Gazza meinte am Ende, dass man mit der Azrael nicht nur auf Partys, sondern auch beim richtigen Musikhören viel Spaß haben wird. Und damit hat er das Entwicklungsziel genau auf
den Punkt gebracht.
Die Weiche sieht wie folgt aus:
Azrael Weichenplan
Im Hochton arbeitet ein 18dB Filter und lediglich ein Serienwiderstand. Da es die erforderlichen 20 Ohm leider nicht als Standardbauteil gibt und sowohl 18 als auch 22 Ohm zu einem etwas schlechteren Ergebnis führten, habe ich zwei 39 Ohm Widerstände parallel geschaltet. Dies ergibt 19,5 Ohm, was deckungsgleiche Messergebnisse liefert. Außerdem teilen sich die beiden Widerstände die Arbeit, wodurch hier günstige 10 Watt Typen mehr als ausreichend sind.
Der Parallelspule ist noch ein Kondensator nachgeschaltet, welcher die Flanke so anpasst, dass der Übergang zum TMT ohne großen Phasenfehler funktioniert.
Beim Tiefmitteltöner kommt ebenfalls ein 18dB Filter zum Einsatz, davor und danach sitzen je ein Sperr- und Saugkreis, welche den Bafflestep und die Welligkeiten im Bereich um 1kHz ebnen. Auch
hier hat der Parallelcap des eigentlichen Filters noch eine kleine Spule nachgeschaltet bekommen, welche die Resonanzen ab 3kHz deutlich dämpft.
Diese 0,04mH Spule bekommt man leider nicht ohne Weiteres zu kaufen, weshalb ich hier die günstigste Spule im Sortiment von Quint-Audio, eine Luftspule mit 0,7mm Draht und 0,12mH, in den
Warenkorb gelegt habe:
Diese Spule muss um genau 30 Windungen abgewickelt und das abgeknipste Ende anschließend vom Lack befreit werden (abschaben).
Alles in Allem kostet die Weiche aktuell rund 40€ pro Box. Das ist nicht wenig, aber bei Chassiskosten von knapp 100€ durchaus noch vertretbar.
Zusammen mit Kleinteilen wie Terminal, Kabel und Dämpfungsmaterial, kommt man so auf etwa 150€ pro Box. Das ist zwar etwas mehr, als ich Anfangs geplant hatte, dies ist aber vor allem den durch
die derzeitige Lage deutlich gestiegenen Preise geschuldet.
Zum Schluss noch der Bau- bzw. Bedämpfungsplan:
Azrael Bau- und Bedämpfungsplan
Um alles möglichst einfach zu halten, habe ich die Chassis nicht eingefräst und dafür die Front etwa 6mm nach innen versetzt. Die entstehenden Lücken auf der Schallwand werde ich mit selbstklebendem Zellkautschuk füllen. Dieser kann auch direkt als Dichtung für das Horn verwendet werden. Die Reststücke vom Zellkautschuk, welche durch die Chassisausschnitte anfallen, kann man von hinten auf das Horn kleben um die Resonanzen noch etwas besser zu dämmen.
Das ist allerdings kein Muss: wer die Chassis lieber versenken und die Front bündig zu den Seiten bauen möchte, kann das gerne tun. Die Auswirkungen auf den Klang sind in diesem Fall
vernachlässigbar.
Bedämpft wird die Azrael, indem die Innenwände mit relativ dichtem Dämpfungsmaterial bedeckt werden (Damping, 2-3 Lagen Teichvlies oder Ähnliches). Zusätzlich kommt noch ein Stück
zusammengerollte Polyesterwatte hinter den Hochtöner und wird dort von einer Strebe zwischen den Seitenwänden an Ort und Stelle gehalten.
Der Bereich um dem BR-Kanal bleibt frei von Dämpfungsmaterial. Die Weiche kann auf dem Brett, welches den BR-Kanal bildet, platziert werden.
Die Bau- und Weichenplänepläne sind für private Nutzung freigegeben. Jegliche Form der gewerblichen Nutzung oder Verbreitung ohne vorherige Absprache ist untersagt.
Hier geht's zum günstigen, aber durchaus potenten Party-Subwoofer namens Gargamel, der die Azrael adäquat unterstützen kann.
Oliver (Sonntag, 02 Oktober 2022 14:26)
Danke für den Hinweis Robert!
Wie ich von einem Mitarbeiter erfahren habe, nimmt Thomann Chassis auch mal kurzfristig aus dem Programm, wenn der Nachschub auf sich warten lässt und zu viele Vorbestellungen eingehen.
Die The Box-Chassis bleiben aber weiterhin im Programm, daher kann es wie geplant weiter gehen.
Viele Grüße
Robert (Freitag, 23 September 2022 12:12)
Hallo Olli,
vielleicht ist diese Info noch hilfreich. Bei Thomman ist der 15LB075-UW4 erhältlich und lässt sich auch in den Warenkorb legen ;-). Also scheint er wieder im Programm zu sein.
Dein Projekt kann also in ursprünglicher Form weiterleben :-))
Viele Grüße Robert
Oliver (Montag, 12 September 2022 14:50)
Hallo Frank!
Der Sub ist seit rund 3 Wochen fertig und spielt sehr gut, aber leider hat Thomann praktisch zeitgleich den 15LB075-UW4 aus dem Programm genommen. Einen Bauplan veröffentlichen, dessen Chassis nicht mehr erhältlich ist, fände ich sehr unglücklich, daher habe ich mich auf die Suche nach einer Alternative gemacht. Wie es aussieht, wird es dann sogar zwei Vorschläge geben - einmal einen etwas größeren Sub mit 15" Chassis und einen kompakteren mit 12"er.
Die ersten Alternativen sind gerade im Zulauf, ein klein wenig Geduld ist also noch nötig.
Viele Grüße
Frank (Donnerstag, 01 September 2022 13:39)
Hi Olli,
nachdem Alex im Bericht zu seiner neusten Kreation schon vom Subwoofer sprach, giere ich nach dem zweiten Teil der Azrael (Gargamel und Amp) - kannst Du schon absehen, wann es hierzu neues geben wird?
Viele Grüße, Frank
Oliver (Sonntag, 17 Juli 2022 13:15)
Hallo Thorsten, Markus und Frank!
Danke für euer Interesse und für die lobenden Worte von dir Thorsten.
Der Sub ist eben fertig geworden und wird in Kürze ebenfalls hier in dieser Rubrik vorgestellt.
Markus:
Den BR-Kanal kann man zur Not auch nach vorne legen, ich bin davon allerdings kein großer Freund, denn so dringen Mitteltonstörungen vom Inneren der Box ungehindert nach draußen in Richtung Hörer. Klar, bei einer Partybox ist das nicht so schlimm, ganz ideal ist es aber eben nicht.
Viele Grüße
Frank (Dienstag, 14 Juni 2022 00:10)
Das liest sich alles wirklich sehr gut. Ich bin schon sehr gespannt auf den zu Subwoofer und Verstärker... Das klingt als könnte dies mein nächstes Setup fürs Wohnzimmer werden :-)
Viele Grüße
Markus / Phono.Media (Dienstag, 07 Juni 2022 19:05)
Hallo Oliver, hab gerade alle Teile für Deine Azrael LS bestellt und bin schon sehr gespannt auf den Sound!
Hab nur 2 Fragen: könnten wir den BR-Kanal auch nach vorne bauen? Und wann kommt der Plan für Deinen Sub? ;)
Herzlichen Dank und LG, Markus
Thorsten (Sonntag, 08 Mai 2022 19:28)
Habe mit absprache von Oliver die Azrael bereits nach gebaut. Find den Klang ebenfalls sehr Ausgewogen und Klar. Der bau der Gehäuse ist auch sehr einfach. Die Weiche ist schon etwas Komplexer aber ebenfalls machbar.
Alles in allem eine schöne kleine Partybox mit sehr guten Klang.